Wir starten spät in Jäkkvik. Nach einem langen Morgenessen mit Spiegeleier gefolgt von Ben&Jerrys Eis (eine richtige Wunderwaffe), geht es los. Ich kenne den Anfang der Strecke bereits von meinem ersten kleinen Ausflug auf dem Kungsleden vor zwei Jahren, als ich mit dem Motorrad hier war.
Das Laufen geht heute ungewöhnlich leicht. Vielleicht wegen der Kalorienbombe... Das Gelände ist auch sehr leicht und flach. Die Kilometerangaben sind zudem falsch, so dass man denkt man hätte schon 24 Kilometer gemacht nach vier Stunden inklusive Pausen. Das wäre dann doch etwas gar schnell...
Ich komme in Adolfström an. Komischer Name. Dann geht es entlang eines Sees auf einem schlechteren und auch langsameren Weg dahin. Ich habe mir schon eine unbewirtete Hütte als Tagesziel ausgesucht. Als ich bei einer Art Gaststätte ankomme, trifft aus der entgegengesetzten Richtung ein Italiener ein. Fotograf mit viel Gepäck. Als ich ihn frage, wie weit es bis zur nächsten Hütte sei, antwortet er mir: "etwa 19 Kilometer". Das kann nicht sein. Nach meiner Berechnung müssten es noch etwa drei bis höchstens fünf Kilometer sein. Dies stellt sich dann auch als richtig heraus. Das zeigt mir wiedereinmal mit welch verschlossenen Augen die sogenannten Geniesser doch oft unterwegs sind. Die Hütte liegt nämlich direkt am Weg...
Als ich bei der Hütte ankomme und sehe das niemand hier ist, stosse ich einen lauten Jauchzer aus. Ein Ritual das sich in den nächsten Tagen immer wieder wiederholen wird.
Ich ziehe trockene Kleider an und entfache ein Feuer. Bald ist die Hütte wohlig warm.
Dann treffen auch Jani und Taylor ein. Sie freuen sich auch auf eine weitere Nacht im Trockenen und den warmen Ofen, denn es ist starker Regen angesagt für die Nacht. Später kommt noch ein deutsches Paar dazu und damit ist die Hütte voll. Als ich Jani von meinem Jauchzer erzähle, als ich hier ankam, lacht er. Ja, er könne sich gut vorstellen, wie ich hier ankam.
Über Nacht beginnt es wie erwartet zu Regnen. Auch am morgen immer noch dasselbe. Es wird deshalb ein später Start. Der ganze Tag fällt irgendwie buchstäblich ins Wasser. Von morgens früh bis am Abend ist Wasser treten angesagt. Dazu noch ein giftiger, kalter Wind. Ja, es ist nicht immer alles nur schön an der Hiker -Front...
Ich habe mir eigentlich vorgenommen heute irgendwo zu Zelten. Doch das nasskalte Wetter treibt mich weiter zu einer Hütte. Zwischen fünf und halb sechs treffe ich dort ein. Niemand da, außer drei Perlhühner o.ä. die vor der Hütte hängen. Juhu, wieder ein trockener Platz für die Nacht!
Später treffen dann noch die drei Jäger zu den drei Perlhühner ein. Ich werde sogar noch zum Abendessen eingeladen. Wunderbar!
Als wir um acht Uhr gerade gemütlich bei einem Rotwein am essen sind, klopft es an der Tür. Jani und Taylor! Auch für sie wird nochmals gekocht. Ich habe noch selten ein so glückliches Gesicht gesehen, wie das von Taylor als er in die geheizte Hütte kam und einfach so an den Tisch sitzen durfte. Jani sagte mir dann später, dass er heute wohl recht gelitten habe...
Über Nacht wendet sich das Wetter wieder zum Guten. In 22 Kilometer ist schon das nächste und letzte Dorf vor Hemavan, Ammarnäs. Ich verspreche mir da etwas zu Essen zu bekommen. Also laufe ich ziemlich zügig über die Hochebene und dann über einen schlechten Weg wieder hinunter ins Tal und ins Dorf. Beim ersten Cafe sehe ich schon von weitem Caylon sitzen. Ich habe sie gestern im Regensturm getroffen und wusste dass sie auf direktem Weg nach Ammarnäs geht, also vor mir da sein wird, denn der Kungsleden macht eine Art Schlaufe. Wir unterhalten uns gut bei einem Rentierburger. Sie ist Engländerin, lebt aber in Berlin. Eigentlich wollte sie nur einen Teil des Kungsleden laufen, macht jetzt aber doch den ganzen. Und sie sammelt Knochen von Tieren, wie Bloody Mary in Neuseeland. Ich kann ihr also ein paar lustige Geschichten aus Neuseeland erzählen. Einige Zeit später kommt dann auch Jani und Taylor dazu. Ich ziehe weiter, denn ich habe mir nochmals eine Hütte ausgesucht, welche ich erreichen möchte. Keine offizielle, sondern eine "Notfall-Hütte". Auch hier komme ich bei einem herrlichen Sonnenuntergang an und wieder ist sonst niemand da. Es ist der schönste Platz für eine Hütte auf dem ganzen Trail.
Am nächsten Morgen bekomme ich gleich nochmal die Bestätigung, dass es die richtige Entscheidung war bis zu der Hütte zu gehen. Alle Pfützen sind gefroren. Eine Nacht im Zelt auf dieser Höhe wäre wohl ziemlich kühl geworden...
Der Wandertag wird dann sehr schön. Eine einfache Strecke, schöne Landschaft. Ich komme gut voran. Es wird mein zweitletzter Tag auf dem nördlichen Kungsleden sein, soviel habe ich mir schon ausgerechnet.
Doch am Abend beginnt es immer wieder leicht zu Regnen. Ich mache bei einer Hütte Stop und überlege mir hier das erstemal auf dem Trail in einer offiziellen Hütte zu übernachten. Doch dann zieht der Himmel wieder auf und ich weiß, die nächste Schutzhütte ist nur etwa sechs Kilometer entfernt. Also nochmals los. Einen Pass hoch, dann runter in ein Tal und wieder ein Stück hoch zu dieser Hütte. Im Aufstieg zum Pass beginnt es wieder zu Regnen. Erst nur leicht, dann aber immer stärker. Dazu kommt noch ein stürmischer Wind. Ich renne fast den Berg hoch, der Hütte entgegen. Ich bin plattschnass. Dann hört es wieder auf zu Regnen. Ein Regenbogen erscheint. Ich mache einige Fotos mit eisigen Händen. Dann wieder Regen. Das letzte Stück noch zur Hütte. Hoffentlich ist wieder niemand da oder zumindest noch Platz! Als ich ankomme sehe ich ein kleines Zelt neben einer der Hütten stehen. Es windet ziemlich stark. Ich gehe in die Hütte. Niemand da. Der Typ im Zelt ist ein Ami der letztes Jahr den PCT gemacht hat. Er kommt später auch noch auf einen Schwatz in die Hütte. Er redet viel. Zuviel. Ich will schlafen...
In der Nacht regnet es. Am Morgen schaue ich ein paar mal aus dem Fenster. Regen. Ich kuschle mich wieder in meinen Schlafsack. Dann schaue ich um etwa neun Uhr nochmals hinaus. Kein Regen, windstill. Ich ziehe mich schnell an, packe alles zusammen und nichts wie los. Ich muss heute nur noch etwa 18 Kilometer weit kommen, dann bin ich in Hemavan. Mein Frühstück nehme ich in der letzten Hütte vor Hemavan ein. Dann geht es auf die letzten Kilometer.
Beim Hinunterlaufen nach Hemavan breitet sich in mir das Gefühl aus es geschafft zu haben, denn Kungsleden gelaufen zu sein. Eigentlich wollte ich von hier ja weiter gehen zum südlichen Kungsleden, doch das Wetter ist so schlecht, dass ich mit dem zufrieden bin was ich gemacht habe.
12 1/2 Tage für 470 Kilometer. Schnell? Im Vergleich zu anderen sicher. Der Wanderführer den viele dabei haben, rechnet mit 26 Tagesetappen. Zu schnell? Vielleicht schon. Eine Zeit lang hatte ich das Gefühl auf diesen "Speedhiker"-Zug aufspringen zu müssen, doch während dieser Wanderung erkannte ich, dass das nicht sein muss. Ich würde ihn Zukunft lieber etwas langsamer gehen und mir ab und zu etwas mehr Zeit lassen. Dass ich schnell und weit laufen kann, das weiss ich. Und das ist auch gut so. Denn ab und zu ist es ganz gut schnell zu sein, vorallem bei schlechtem Wetter...
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